Zur Vorbeugung und Behandlung jeder Art von "Entwicklungsverzögerungen oder ,-störungen" Rund um die "Entwicklung" 1und in Folge dessen auch von "Lernstörungen" (z.B. Lese-Rechtschreibschwäche und Rechenschwäche) ist es notwendig, sich mit den Grundlagen bzw. den grundlegenden Voraussetzungen der "Entwicklung" und "Lernfähigkeiten" auseinander zu setzen.

Für das entwicklungsgemäße "Er-Lernen",  das "Be-Greifen" und "Be-Halten" einer Sache (sich einen Sachverhalt merken) und dem Erwerb einer Kompetenz (z.B. Schleife binden, Wasser in ein Glas einschütten, ein Bild malen ...) gibt es stets ganz bestimmte "Prädikatoren" (Vorläuferfunktionen), die als Voraussetzung für eine  Aneignung gelten.
Im Wesentlichen baut "Er-Lerntes" auf unsere Wahrnehmungen bzw. unsere "ganzheitliche Wahrnehmungsfähigkeiten" auf - unsere Motorik inbegriffen. Damit ist der gesamte Prozess der "modalen", "intermodalen" und "serialen" Wahrnehmungsentwicklung gemeint.


>> Hinweis:  Die Trennung von einzelnen Sinnesorganen und -systemen bzw. in unterteilten Modalitäten  entspricht natürlich so nicht der Realität. Für das Verständnis kann es jedoch sehr hilfreich sein, sich die Funktionsweise der einzelnen Prozesse bewusst zu machen.  <<


Einen Gesamtüberblick über die Sinnesorgane und -systeme mit entsprechender Bedeutung und  Funktionen zeigt folgendes Bild von R. Schaefgen:

Rund um die "Entwicklung" 2


Um im weiteren ein gutes Verständnis über einen "Entwicklungsverlauf", einen aktuellen "individuellen Entwicklungsstand", einem möglichen "Problem in der Entwicklung", einer "Entwicklungsverzögerung" bis hin zu einer "Lernstörung" (die im Resultat eng mit der Entwicklung und den sensorischen und neurophysiologischen Vorgängen verbunden sind)  zu erhalten, ist ein Einblick in die basale  " Wahrnehmungsverarbeitung" durch unsere Sinnesorgane und -systeme (z.B. taktil, visuell, kinästhetisch, vestibulär...), sowie die Integration ihrer Reizwirkungen  (z.B. Haltung, Gleichgewicht... bis hin zur Aufmerksamkeit, Sprechvermögen, visuelle Wahrnehmungsdifferenzierung (z.B. erkennen, zuordnen...) ) und ihren Endprodukten / "Früchten" (z.B. Konzentration,  Selbstbewußtsein, Lesen, Schreiben und Rechnen...)  von Bedeutung.


Rund um die "Entwicklung" 3(Bild: Integrative Funktionen der "Sensorichen Integration" von Jean Ayres)

Der in dem Bild beschriebene Wahrnehmungsprozess stellt die "normale Entwicklung" eines Menschen dar.
-  Jedes Sinnessystem hat dabei sinnesspezifische Sensibilitäten und Funktionen.
-  Es gibt aber auch die Verbindung "zweier" oder "dreier" Sensibilitäten (siehe Klammer nach rechts).
Aus dem "vestibulären System" (Schwerkraft und Bewegung betreffend) und dem "propriozeptiven System" (Muskeln und Gelenke betreffend) ergeben sich z.B. die "Körper-Haltung", das "Gleichgewicht" und die "Schwerkraftsicherheit".
-  Die Sinnesfunktionen potenzieren sich gewissermaßen in der "Integration ihrer Reizwirkungen" und erzeugen weitere (intersensorische bzw.  intermodale) Fähigkeiten in Folge und im Endergebnis.

Diese Tabelle mit ihren "Einzelfunktionen", "Ebenen" und "Endprodukten" lässt sich auch sehr gut in Form eines anschaulichen "Wahrnehmungsentwicklungs-Baums" darstellen:

Rund um die "Entwicklung" 4


Das Bild des "Wahrnehmungsentwicklungs-Baums" gibt uns einen ganzheitlichen Einblick in die Entwicklung eines Menschen.
Es zeigt uns die Entwicklung als einen von unten "gespeisten" (Wurzeln) und von oben "beflügelten" (Sonne) Wachstumsprozess", der in jeder Entwicklungs-Phase `mal mehr und mal weniger´  (selten in allen Bereichen gleichzeitig) wächst.

-  Die "Wurzeln" bilden gewissermaßen das Fundament der Entwicklung und beziehen sich auf die "Nahsinne / Innenfühler" bzw. die innerhalb des Körpers befindlichen Sinnesorgane  und Sinnessysteme des Menschen  (braune Schrift).
Sie sind maßgeblich an der "Eigenwahrnehmung" des Menschen beteiligt und beziehen sich neurophysiologisch betrachtet auf die "primären"  bzw. die "stammesgeschichtlich ältesten Hirnteile"  
(Phylogenese) des Menschen"  bezogen.

-  Sie beinhalten die, der Entwicklung zugrunde liegenden Funktionen, der a) "taktil-kinästhetischen (Tast- und Bewegungsempfinden) und b) propriozeptiven (Tiefenempfinden) Wahrnehmungssysteme".
Einschließlich  der Tonusregulierung  (Muskeln und Sehnen betreffend) und der Reflexintegration (die frühkindlichen Reflexe betreffend), die für das  Stellungsempfinden maßgeblich sind (blaue Schrift), als auch als drittes im Bunde c) das Gleichgewichtssystem (grüne Schrift).
-  "Starke Wurzeln" sind nicht nur sensorisch wichtig, sondern geben dem Baum auch einen lebenswichtigen Halt gegenüber starken Stürmen, die den  "emotionalen Beeinträchtigungen" beim Menschen entsprechen.
Der "Boden" steht hier sinnbildlich für die Nährstoffe bzw. die Sinnesinformationen, die dem Kind aus seinem Körper und seiner Umwelt angeboten werden.
-  "Licht und Wärme" von oben (Sonne) verkörpern die "Wärme der Beziehung, die emotionale Akzeptanz und wertschätzende Begleitung der Bezugspersonen", sowie des "Umfeldes"  beim Entwicklungs- und Wachstumsprozess.

Der "Baumstamm" symbolisiert im Weiteren unsere "Fernsinne / Außenfühler"  (Augen, Ohren, Nase, Zunge und Hände), die auch als "periphere Organe" (außerhalb liegend)  bezeichnet werden und mit ihren Rezeptoren, d.h. den Sinneszellen die umweltbedingten Reize (z.B. Licht, Geruch, Geschmack) aufnehmen und zur Verarbeitung an das Zentralnervensystem (Gehirn) weiter leiten.
Die rechts und links an der Seite befindlichen Begriffe (z.B. Eigenempfindung und Fühlen) spiegeln jeweils die Wirkungsbereiche der verschiedenen Baum-Ebenen mit ihren Funktionen wieder. Ebenso wie die Baumkrone mit den unterschiedlichen und vielfältigen "Endprodukten"  (z.B. Feinmotorik, Sprache und Körperkoordination).

Schlußfolgernd kann man die Entwicklung des Kindes als einen zunehmenden "Differenzierungsprozess" bezeichnen, in dem das Kind immer mehr Fähigkeiten, sowie komplexere Fähigkeiten erlernt.


Doch wie verhält es sich nun mit den oben genannten  "Entwicklungsverzögerungen oder -störungen" und in Folge dessen auch mit "Lernstörungen" ?
 " Wie kann man diese vorbeugen und  evtl. auch behandeln  ?"
Die Ausprägungen von "Entwicklungs- und Wahrnehmungsstörungen" können sehr unterschiedlich sein und reichen von leichten "Teilleistungsstörungen" (wo Kinder mit normaler Intelligenz "nur" gewisse Probleme z.B. in der "visuellen Wahrnehmung", in der "visumotorischen Koordination", in der "Figur-Grundwahrnehmung" haben (d.h. innerhalb unterschiedlicher Verarbeitungs- und Integrationsbereiche) bis zu schweren "Wahrnehmungsausfällen" (oft in Verbindung mit einer Schädigung der Sinnesorgane (z.B. Auge oder Ohr), oder aufgrund einer vorausgehenden "Reizdeprivation" (d.h. Mangel an wichtigen Sinnesreizen in bestimmten Entwicklungsphasen).

Eine Einteilung in "Entwicklungsbereiche" oder "Entwicklungs- und Wahrnehmungsstörungen" wurde bereits in der Vergangenheit von den unterschiedlichsten Pädagogen, Psychologen ... vorgenommen.
- So gliederte z.B. der Sportpädagoge und Begründer der Psychomotorik E.J. Kiphard die Entwicklung in die
a) "Neuromotorische" (Säuglingsalter), b) "Sensomotorische" (Kleinkindalter), c) "Psychomotorische" (Vorschulalter) und d) "Soziomotorische" (Grundschulalter) - Entwicklung ein.

- Die Psychologin J. Prekop unterschied  Entwicklungs- und Wahrnehmungsstörungen nach: a) unterschiedlichen Formen, b) dem Auftreten in verschiedenen Entwicklungsstufen und c) dem Auftreten in verschiedenen Körperteilen.
- Die Heilpädagogin H. Sinnhuber unterteilte Entwicklungs- und Wahrnehmungsstörungen nach ihren möglichen Ursachen:
a) Organische Ursachen (prä-, peri- und postnatal) und in epigenetische bzw. umweltbedingte oder deprivativen Ursachen (Mangel an Entwicklungsreizen)
- Die Psychologin F. Affolter gliederte die Entwicklung in die bereits ganz oben genannten  Sinnesmodalitäten: 
der a) "modalen", b) "intermodalen" und c) "serialen" Wahrnehmungsentwicklung ein.
Diese Einteilung ist heute am geläufigsten; wobei auch alle anderen aufgeführten Einteilungen eine wesentliche Orientierungshilfe geben, z.B. bei der Begutachtung und einer möglichen Förderplanung.

Für eine konkrete "Unterstützung" oder einer gezielten "Förderplanung" bedarf es zuerst der "Befundaufnahme", die zunächst mit einer zufälligen oder gelegentlichen Beobachtung beginnen kann - bis hin zu einer gezielten standardisierten Beobachtung mittels eines "Entwicklungs-Fragebogens" (der einen ganzheitlichen und auch detaillierten Überblick über die Entwicklungsbereiche / über das Leistungsvermögen, wie z.B. Grobmotorik, Feinmotorik, Sprache, optische Wahrnehmung, akustische Wahrnehmung, soziales Verhalten ...  geben kann.)


Bezogen auf das
Thema "Lese-Rechtschreibschwäche"(Legasthenie) und "Rechenschwäche" (Dyskalkulie) möchte ich an dieser Stelle noch gerne auf bestehende Zusammenhänge hinweisen, die es zu den oben genannten "Entwicklungsbereichen", wie z.B. optische und akustische Wahrnehmung, sowie zur Grob- und  Feinmotorik gibt.
Obwohl z.B. jede "Legasthenie" anders ist, bzw. "Jedes Kind hat seine eigene Legasthenie", sind die Erscheinungsformen in den folgenden Bereichen zu suchen:
- akustische (auditive) Differenzierungsschwäche bzw. Verarbeitungsstörung (siehe auch “Hörstörung”  bezüglich einer "Auditiven Verarbeitungs- und Wahrnehmungs-Störung" >> AVWS  zum anklicken )
- optische (visuelle) Differenzierungsschwäche bzw. Verarbeitungsstörung (z.B. in der Wahrnehmungskonstanz, Figur-Hintergrundwahrnehmung, visumotorische Koordination ...  (nach M. Frostig)  >> und als Folge dessen: "Leseschwierigkeiten und mangelndes `Lese-Verständnis´  >> VVWS)
- Raumlagelabilität (mangelndes Erkennen der Lage im Raum und räumlichen Beziehungen (oft mit dem Problem in der Stellungsintegration / Grobmotorik verbunden) -> übertragen auf die Schrift kommt es zu "Buchstaben-Verwechslungen" zwischen: d - b,  p - q,  a - e, l - t, m - n ... und bei der Groß- und Kleinschreibung )
- Graphomotorische Schwierigkeiten (beruhen auf mangelnde Fingerdifferenzierung, feinmotorische Schwierigkeiten ... )



Spezielle "Entwicklungs-Fragebögen" 
geben insofern ganz konkret Auskunft über den aktuellen, augenblicklichen "individuellen Entwicklungsstand" eines Kindes.

Einen wichtigen, grundlegenden TEST, der die "Basis-Sinne" des Kindes prüft und entsprechende Auskunft gibt, finden Sie unter dem Test: "BASISSINNE - Kind"  ( <<  zum anklicken).